Die Kunst alle zu erreichen

Ein authentisches Rollenspiel

Das ist Fabi. Sänger und Bassist der Band OXMO.  
Anfang 2022 hat OXMO ein neues Album veröffentlicht. 

Der Titel: „Wer willst du sein?“. 

Doch was bedeutet das eigentlich? Habe ich mich schon gefunden? Such’ ich noch? Welche Rolle spiele ich in diesem Konstrukt des Lebens? Oder sind es am Ende ganz viele?


Die Sonne brennt mir auf der Haut, als ich mich auf dem Weg zum Barfüßerplatz befinde. Es ist Samstag, der 08. Juli 2023 und auf der Insel in Lindau heißt das: Stadtfest-Zeit – unterschiedliche Bands an unterschiedlichen Standorten und unzählige Menschen allen Altersklassen. 

Am Barfüßerplatz angekommen, steure ich direkt in Richtung Bühne. OXMO eine Band, die im Genre des „Cocktail-Cores“ unterwegs ist, wird gleich spielen. 

„Wir machen das hier nicht so, mit Presseausweis und so“, sagt Pascal, der Organisator dieser Bühne. „Ich hab’ auch gar keinen“, antworte ich. 

Pascal nimmt mich mit in den Backstagebereich und ich treffe die Band. Alles ist megaentspannt und locker. Das Getümmel von draußen gefühlt in weiter Ferne. 

Dann geht es los. 

Fabi, Sänger der Band und seine Bandkollegen Josi, Olli, Lars und David betreten die Bühne. So ruhig es im Backstagebereich eben noch war, umso mehr geht es jetzt auf der Bühne ab. Fabi wirkt wie ein Energiebündel, das alle in seinen Bann ziehen möchte. Er springt, lacht, spricht mit seinem Publikum und begibt sich immer wieder auf gleiche Ebene – sprich runter von der Bühne und ab ins Getümmel. 

Er tanzt mit Jung und Alt und selbst die Kleinsten werden einbezogen.


Ich habe immer den Anspruch, alles zu geben, um die Leute zu unterhalten. Einfach, weil es mir Spaß macht. Und wenn die jetzt alle über 60 sind, dann sind die halt alle über 60, dann tanz’ ich trotzdem mit denen.

Ist das dein Geheimnis, warum eure Konzerte so lebendig wirken?

Puh, das weiß ich nicht. Eigentlich schaue ich nur, dass es mir Spaß macht. 

Wenn ich auf der Bühne stehe, geb’ ich Vollgas und mach einfach – auch wenn da nur 10 Leute sind. Das ist irgendwie, wie so eine Art Bühnenschalter, glaube ich. Sonst bin ich eher zurückhaltend und gar nicht so aufbrausend. Auf der Bühne passiert das dann halt so. Weiß auch nicht warum. Vielleicht ist es der Ehrgeiz von mir, die Leute so zu packen, dass sie Bock haben mitzumachen, auch wenn sie erst mal gar nichts damit anfangen können. 

Die Meisten kennen euch gar nicht, oder? Die hören euch zum ersten Mal auf so einem Fest. Ist die Entscheidung bewusst getroffen worden zu versuchen die breite Masse mit euren Songs zu erreichen?

Ich glaube nicht, dass das so eine bewusste Entscheidung war. Wir machen halt irgendwie Musik für alle. 

Wenn ich die Songs schreibe, denke ich mir vorher nicht: „Ach, ich schreibe den Song jetzt so, dass den alle verstehen können. Kinder, die vier sind oder auch alle über 60.“ Ich bin mir nicht mal sicher, ob die das wirklich so verstehen, was wir spielen. Auch sprachlich ist das jetzt nicht unbedingt alles jugendfrei. Es geht ja auch viel um „Fick dich“ und so Zeug.

Das mit dem gemischten Publikum ist jetzt halt so passiert. Wir spielen viel auf „umsonst und draußen“ Geschichten. Zwischen 14 und 19 Uhr. Das ist dann halt das Publikum, das da ist. Familys und Leute, die sich dahin verirren, weil es schön ist. 

Band intern hatten wir deswegen auch Gespräche. Manche fanden es nicht so cool vor Kindern zu spielen. Ich hab’ dann gesagt: „Also Leute, das Publikum kann jetzt auch nichts dafür, dass es da ist und wir können froh sein, dass jemand da ist. Und für die, die da sind, machen wir unsere Show.“

Na ja, es sind ja auch nicht nur Kinder …

Genau! Ich find’ Kinder auch megacool. Also, ich mag Kinder total gerne. Kinder sind eigentlich auch ein ziemlich cooles Publikum. Sie sind ansteckend und motivierend. Wenn du Kinder gut entertainst, dann finden das die Eltern auch witzig und die noch älteren auch. Und wenn alle Kinder dann im Kreis rennen, machen da die größeren auch eher mit.

Die wenigsten kommen, weil wir spielen. Die kommen wegen der Sache! Jetzt hier in Lindau zum Beispiel. Da kommen die Leute, weil Stadtfest ist. Das ist cool. Und wir stehen da halt auf der Bühne. 

Manchmal habe ich das Gefühl, dass Gruppen gebildet werden. Also sagen wir mal, da ist eine Punkband. Die hat ihr Genre und ihre Leute. Die weiß, wen sie erreichen will. Es bildet sich also eine Art Gruppe, die gezielt zu einer Veranstaltung dieser Band / dieses Genres geht.

Bei euch scheint es eher so, als fühle sich jede:r willkommen. Das kann natürlich auch an den Umständen der Veranstaltung liegen, aber vielleicht auch ein bisschen an dem Genre, welches ihr bedient.

Cocktail-Core nennt ihr das. Richtig?

Ja, richtig! Cocktail-Core. 

Aber das waren Diskussionen, sag’ ich dir! Die Veranstalter wollen natürlich wissen, was sie auf ihre Plakate schreiben sollen. Also was wir für Musik machen. Das war immer bisschen schwierig für uns: „Nee, wir sind keine Punkband und wir sind auch keine SKA-Band.“, „Aber ihr macht doch Rock!“, „Nee, Rock klingt so oll ...“. Puh, das war echt anstrengend. Deswegen haben wir zu uns gesagt: „Lass uns doch einfach was erfinden.“ Und so kam es dann halt zu diesem Cocktail-Core. 

Wofür steht “Cocktail-Core” denn alles?

Für diesen Mix würde ich sagen. Mir geht es vor allem darum, dass das, was wir machen, Spaß macht. Für mich selber habe ich den Anspruch, dass die Songs abwechslungsreich sind und nicht zu eintönig. Klar, es birgt immer die Gefahr, dass es den Leuten zu krasse Stilwechsel sind. Aber ich find’ es auch witzig, wenn ein paar unerwartete Aspekte mit drin sind. Ein Jazz Solo plötzlich oder so.

Die Songs schreibe ich ja auch eher für mich. Oft ist da ein Thema, das mich beschäftigt und dann passieren Text und Musik einfach so. 

Thematisch geht es viel um Gerechtigkeit und die offene Welt. Das kann man unter dem Begriff „Cocktail-Core“ ja auch ganz gut vereinen. 

Abgesehen davon, ich mag diese unterschiedlichen Genres selber total gerne und möchte mich auch nicht einschränken in der Gestaltung. Darum gehen manche Songs mehr in Richtung Hip-Hop, andere sind punkiger oder rockig.

Der Titel eures neuen Albums heißt “Wer willst du sein?”
Hast diese Frage für dich selber schon beantwortet?

Wer ich sein will? Boar, das ist so das Ding. Ich will ganz schön viel sein. Darum klingt das alles auch so, wie es klingt. Also so rein musikalisch mein ich jetzt. 

Ich glaube, man ist ja irgendwie ständig im Flow und lernt etwas Neues dazu oder kennen. Vielleicht denkt man in einem Moment, man ist irgendwas ganz doll und später merkt man, in einer anderen Situation, „Will ich das überhaupt noch sein? Irgendwie ist das manchmal ja auch blöd!“.

Mir geht’s eher so, dass ich nicht sagen würde, ich bin das und das. Ich kenne tatsächlich auch wenige Leute, bei denen das für sich so funktioniert.  Und wenn doch, sind das meistens die Leute, bei denen ich es recht unangenehm finde. Da ist dann irgendwas von Verbohrtheit oder so.

Meinst du, man kommt zum Beispiel nach Hause und kann seine Rolle nicht ablegen?

Also, wenn man etwa beruflich Banker ist, nach der Arbeit heimkommt und genau gleich handelt wie in dieser Tätigkeit, statt seine Rolle als Freund, Ehemann, Papa oder was auch immer einzunehmen?

Ja, ja genau. Voll! Und genau so gibt es uns als Band oder auch mich, der die Songs schreibt, in ganz vielen verschiedenen Kontexten und Rollen. Da variiert viel, da fragt man sich viel und da darf man sein, wer man will.

Noch kurz so zum Abschluss unseres Gespräches: Ein Statement von dir zum Thema “Die Kunst alle zu erreichen”. 

„Die Kunst alle zu erreichen“. Das musste ich auch erst mal lernen. Finde ich aber sehr wichtig!  

Ich freue mich immer total, wenn da ein bunter Haufen ist, mit dem wir gemeinsam feiern und abgeh’n können. Schlimm ist es für mich, wenn irgendwelche Sachen so elitär sind. 

Ich denke, jede:r, der zu einem Konzert geht, hat das Recht da zu sein. Und für all die Leute mache ich Mucke.

Weiter
Weiter

Intimität, Gemeinschaft, Angst und Mut