Intimität, Gemeinschaft, Angst und Mut

#4 Wenn Vertrautheit zu Kunst wird

Für jeden ist Intimität etwas anderes. Das allgemein zu definieren, scheint oft schwierig. Fühlt man sich in einer Gemeinschaft gut aufgehoben, verstanden und von der Denkweise gleich gesinnt, kann es einem leichter fallen, sich zu öffnen. Die Connection, das Miteinander können dann so sehr harmonieren, dass man sich vielleicht sogar fallen lassen kann.

Im Fall von Chantal und ihren acht Kolleginnen ist aus dieser intimen Vertrautheit eine außergewöhnliche Ausstellung entstanden. Eine Ausstellung, die andere dazu eingeladen hat, dieses Feeling mitzuerleben.


Ich glaube, da wir uns vorher schon durch unsere Kunst kannten und wussten, wie, wer fotografiert, ist extrem viel Druck von uns abgefallen. Wir haben uns zwar noch nie in echt gesehen, aber unsere Kunst kannten wir. Das hat ein extremes Vertrauen in uns ausgelöst.

Das ist es auch, was die Bilder für mich so intim macht. Es ist einfach eine unglaubliche Nähe da. Ein Riesenvertrauen, eine Herzlichkeit. Eine Intimität im Sinne von megafestes Vertrauen und Respekt zusammen solche Bilder zu machen.

Wären das Freundinnen gewesen, mit denen man schon seit der Kindheit zusammen aufgewachsen ist, zusammen durchs Leben gegangen ist, dann kann man so was erwarten! Aber wir sind dort nur eine Woche zusammen gewesen und haben uns vorher noch nie live gesehen.

Und trotzdem konntet ihr euch einfach fallen lassen? So, als würdet ihr euch ewig kennen?

Ja, find’ ich schon.

Es war bestimmt nicht einfach, die Fotos so groß zu präsentieren, oder? Bei so viel Nacktheit und Intimität. Es ist ja doch auch eine sehr verletzliche Situation, der man sich da stellt.

Ich war auch sehr nervös. Es hat sich viel beängstigender angefühlt, als das Teilen auf Instagram. Mein Partner hat das nicht verstanden. Er hat gesagt: „Wenn du sie auf Instagram postest, könntest du theoretisch 150.000 Leute erreichen. Die Ausstellung sehen höchstens 5.000.“ Ich meinte dann zu ihm: „Das ist nur irgendeine anonyme App! Wenn ich einer Person nie gegenübertreten muss, ist das überhaupt nicht zu vergleichen.“

Die Verletzlichkeit, wenn ich mich dorthin begebe, wo ich eine Führung halte, dorthin, wo Bilder von mir hängen, Bilder, die ich gemacht habe, auf denen ich zu sehen bin. Das ist etwas ganz anderes.

Deswegen bin ich auch sehr, sehr, sehr, SEHR nervös gewesen.

Was hat dir am meisten Sorgen bereitet oder wovor hattest du Angst?

Am meisten Angst hatte ich vor negativer Kritik oder Unverständnis.

Ich hatte noch ein kleines Trauma aus meinen Studientagen. Meine Dozenten fanden, dass meine Arbeit langweilig sei. Nichts aussagt. Keine Kunst ist. Da hatte ich Angst, dass ich nicht ernst genommen werde, dass es nicht als Kunst gesehen wird. Dass es belächelt wird: „Macht halt ein paar schöne Fötälis.“ Einfach davor, dass es nicht mit dieser Ernsthaftigkeit angenommen wird, die dahintersteckt.

Doch als die Ausstellung fertig war, wusste ich, dass es so eine starke Gesamtaussage ist. Es geht gar nicht um das einzelne Bild. Es geht um die Gesamtinstallation. Und die war so ein Erlebnis! So eine Gefühlsreise! Mit den farbigen Wänden, dem Wohnzimmer, dem Holzboden und dem Licht. Es waren so viele verspielte Details. Und die Moody-Dark-Corner! Hier war alles dunkel, nur kleine Spots auf den Bildern. Das hat so ein Gesamtwerk ausgemacht.

Auch wenn ich sehr nervös war, konnte ich mich darauf verlassen, dass das Gesamte wirkt und spricht.


Chantal Convertini – Ein Interview in Etappen – weiterlesen:

01 Von Leinwand zu Foto, von Foto zu Web

02 Den Raum lesen

03 Community

00 Intro

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