Zurück in die Zukunft, …

… in die Zukunft junger Mütter

Für arbeitstätige Eltern war die Corona-Zeit nicht leicht! Doch wie sah die Situation für Mütter aus, die wegen Corona nicht mehr in die Arbeit zurück gefunden haben?  

Undenkbar? Ein Segen? Oder ist es eine Zeit gewesen, in der man lernt Bedürfnisse und Träume loszulassen? 

Ich habe Lena getroffen. 2-fache Mutter, 33 Jahre jung. Ehemalige Medizinstudentin und ausgebildete Doula und Yogalehrerin. 

Lena ist mit Ihrer Familie, Emma (1 Jahr), Noah (5 Jahre) und ihrem Mann Pierre im November 2020 nach Rheinland-Pfalz gezogen. Mitten zur Hochsaison der Corona-Pandemie. 

Welche Hürden sie überwinden muss, um wieder in einen geregelten und bedürfniserfüllten Alltag zu finden, erzählt sie mir im Interview.


Sara: Lena, würdest du gerne arbeiten gehen?

Lena: Ich würde super gerne wieder arbeiten gehen. Ja, doch! Auf jeden Fall! Das fehlt mir richtig! So eine kleine Beschäftigung außerhalb des Hauses. 

Sara: Was hindert dich daran?

Lena: Momentan ist es einfach eine wahnsinnig schwierige Situation. Man kann nicht so richtig planen, was da auf einen zukommt. Also mit Corona natürlich. Die Kindergärten haben auf und zu. Noah kann zum Beispiel nur in eine Halbtagsbetreuung. Das sind 3 Stunden. Von 9 – 12. Die Kapazitäten im Kindergarten sind während Corona einfach nicht anders gegeben. 

Und dann ist da noch Emma. Sie ist jetzt ein Jahr alt geworden. Das ist halt auch so ne Sache. Bei einem so kleinen Kind. Die Eingewöhnungszeit im Kindergarten ist recht lang und sollte natürlich auch kontinuierlich fortgeführt werden. Das ist momentan einfach nicht möglich. 

Viele Tagesmütter nehmen im Moment niemanden auf. Sie wissen nicht, wie es coronabedingt ist. Oder es gibt neue Auflagen, Hygienemaßnahmen, Vorschriften, die sie gar nicht schaffen einzuhalten. Ja, das macht halt alles wahnsinnig kompliziert. Da mit zwei Kindern zu jonglieren. Überhaupt irgendeine Betreuungsmöglichkeit für Emma finden zu können. 

Es sind einfach so viele unsichere Variablen, als dass ich jetzt was anfangen könnte zu arbeiten.

Sara: Also wäre es tatsächlich so, dass du ohne Corona jetzt wieder Arbeiten würdest?

Lena: Ja! Total gerne! Ja, wirklich!

Sara: Warum möchtest du so gerne wieder arbeiten? Ist es der Arbeit wegen oder fehlen dir vielleicht auch die sozialen Kontakte?

Lena: Sowohl als auch. Ich sehe, abgesehen von meinen Kindern, eigentlich niemanden. Einerseits sind es die sozialen Kontakte die fehlen, andererseits finde ich es einfach schon immer wichtig, Interessen zu verfolgen. Das klingt vielleicht doof. Aber ja, ich bin nicht nur Mama! Bei den Männern ist das so selbstverständlich, dass sie nicht nur Vater sind, sondern auch einen Job haben. Bei Frauen ist das noch ein bisschen so, als wäre Mutter sein das, was einen so komplett erfüllt. Ich merke einfach, ich brauche schon auch etwas anderes, um mich weiterentwickeln zu können. 

Sara: Also sind es auch Bedürfnisse, die man sich selber gerne erfüllen würde? Bedürfnisse, die einen lernen und sich weiterentwickeln lassen?

Lena: Ich denke, jeder braucht eine gewisse Anerkennung! Und oft bekommt man die als Mutter gar nicht! Wirklich nicht! Also von seinen Kindern natürlich! Ja! Ich meine, ein Lächeln der Kinder oder die Dinge, die man zusammen erlebt, sind „Priceless“, wie man so schön auf Englisch sagt. Trotzdem fehlt die tägliche Anerkennung, die man im Job bekommt. Ja, die fehlt und das spürt man auch. 

Sara: Abgesehen von der momentanen Corona-Situation, wie lange ist es dir schon nicht möglich, deine Ziele, deine Träume, so zu verfolgen, wie du es gerne tun würdest?

Lena: Seitdem ich mit Noah schwanger war. Da hab ich dann aufgehört Medizin zu studieren. 

Sara: Noah ist jetzt fünf oder?!

 Lena: Ja genau, fünf Jahre. 

Sara: Und dann kam Emma letztes Jahr zur Welt?!

Lena: Ja, also 2019.

Sara: Ja, das ist eine lange Zeit! Macht Corona diese ganze Situation jetzt noch schwieriger für dich, um wieder arbeiten gehen zu können?

Lena: Ja! Sagen wir es mal so: Als ich mit Noah schwanger war, war dass das Ende meiner Medizinkarriere. Vorerst. Jetzt stellt sich immer mehr heraus, dass es wohl definitiv so ist. Das war ein schwerer Schlag und es hat sehr lange gedauert, bis ich das verarbeitet hatte. … Ich komme gleich wieder … Vielleicht schaffe ich es sie nochmal zum Schlafen zu bringen …

>> Lena steht auf und geht ins Wohnzimmer, wo Emma gerade wach geworden ist … Emma hat heute ihren Mittagsschlaf im Wohnzimmer gemacht, weil Pierre im Homeoffice oben im Haus arbeiten muss. … Sie kommt mit Emma im Arm zurück … <<

Lena: Lauf ich noch? 

 Sara: Ja.

Lena: Also ja, das war definitiv ein schwerer Schlag für mich! Zu akzeptieren, dass man halt nicht alles kann. Dass nicht alles möglich ist, nur weil man es unbedingt will. Auch nicht mit Kind. 

Meine Mama hat mir immer erzählt: „Mit dir waren wir auch auf Partys und in der Kneipe und so weiter … Das war gar kein Problem.“ Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber was ich sagen will: Die haben mich halt einfach überall mit hingenommen. Das hat sie nicht vom Leben abgehalten. Ich hab mir immer vorgestellt: „Ja genau so will ich das dann auch machen! Ich höre nicht auf jung zu sein, frei zu sein und mich frei zu fühlen!“. 

Die Realität war dann für uns doch ein stückweit anders. Ich habe plötzlich meine Purpose als Medizinstudentin verloren. Meinen absoluten Traumberuf. Wir haben damals in Zwickau gelebt. Die Umstände waren ein bisschen kompliziert und es war ein schwieriger Ort für uns. Noah war ein Frühchen und hatte schon in den ersten 1,5 Jahren einige krasse Probleme. Das hat halt reingehauen. 

Und dann so ganz alleine, ohne familiäre Unterstützung, ohne Freunde – das war einfach heftig. 

Und jetzt auch, dass wir von Heidelberg hierhergezogen sind und noch mal anfangen. Klar! Da macht es Corona noch mal komplizierter. Also das isoliert natürlich noch mal mehr. Und klar ist so ein Neuanfang immer schwierig. Jetzt hier in Bornheim auch! Aber er wird durch Corona noch schwieriger gemacht. 

Sara: Was hättest du denn vorgehabt zu arbeiten? Also wenn jetzt mal angenommen, Corona nicht passiert wäre. 

Lena: Ich habe mich teilweise schon umorientiert, um nicht das Gefühl zu haben, stehen zu bleiben. Die Yoga-Ausbildung und die Doula-Ausbildung waren so kleinere Sachen, die ich nebenher machen konnte. Die hätte ich jetzt gerne verfolgt. Und natürlich kostet das jetzt noch mal einen Kraftakt, sich damit was komplett Neues aufzubauen, wenn einem dann halt noch mal Steine in den Weg geworfen werden. Natürlich ist dann Corona der Tropfen zu viel!

Sara: Du meintest vorhin, dass ihr von Heidelberg weggezogen seid! Warum seid ihr umgezogen?

Lena: Eigentlich hatten wir nicht vor aus Heidelberg wegzuziehen. Das war schon auch wegen Corona! Definitiv! In unserer Wohnung zustecken, in dieser ersten Lockdown-Phase. Das war schon extrem krass für die Kinder. Du kannst die Kinder nicht den ganzen Tag irgendwie in der Wohnung halten! Und immer nur im Kinderwagen rumgeschoben zu werden, hatten sie natürlich auch keine Lust. Die kleinen Beine tragen sie aber auch nicht so weit und Spielplätze waren alle zu. Auf den Straßen oder Gehwegen dürftest du nicht verweilen. Das Gras dürftest du nicht betreten. Ich habe bei Noah schon echt heftig gemerkt, dass er richtig depri geworden ist. Der wollte irgendwann gar nichts mehr. War komplett lustlos. Ich hatte wirklich Mühe, ihn vor die Haustür zu bewegen. Der Kindergarten war zu, Freunde dürfte man nicht sehen. Also ja, das war echt ne heftige Zeit! Mit zwei schreienden Kindern, Pierre im Homeoffice und das in dieser Winz-Wohnung. Das ging nicht! Pierre konnte da gar nicht arbeiten. Da haben wir dann gesagt: „Ok, es lässt sich überhaupt nicht absehen, wie lang das noch so geht. Wir müssen so schnell wie möglich aus der Stadt raus.

Sara: Wie groß war eure Wohnung?

Lena: 70 m2

Sara: Und wie viele Zimmer hattet ihr?

Lena: Es war ein Altbau. Total schön. In der Altstadt in Heidelberg. Es waren ganz kleine verschachtelte Zimmer. Wir hatten eine Küche, ein ganz kleines Wohnzimmer, Noah hatte ein Zimmer und wir hatten noch ein kleines Schlafzimmer. 

Sara: Das ist wirklich nicht so groß.

Lena: Ja, Pierre hat dann teilweise im Schrank gearbeitet! (Lacht) Ja, ein kleiner Schrank.

Sara: Was hättest du vorgehabt zu arbeiten, wenn Corona nicht gekommen wäre? Hattest du Pläne?

Lena: Also ich war dabei, meine Website für meine Doula- und Yoga-Tätigkeit aufzubauen. Durch den Umzug ist das dann irgendwie … Na ja, es ist alles da, ja! Aber nicht online. Ich war echt motiviert, das auf die Beine zu stellen. Wir haben das Haus total ungeplant bekommen. Dann ging alles relativ schnell und dadurch ist es ein bisschen im Hintergrund verschwunden. 

Ich mein, ich kenn hier noch niemanden. Mit meiner Doula-Tätigkeit hätte ich dann regelmäßig Rufbereitschaft und das heißt, ich muss innerhalb von einer Stunde beide Kinder plus Hund irgendwo unterbringen. Ohne soziales Netzwerk und Familie um einen herum ist das ein bisschen schwierig! Vor allem, wenn die Betreuung grad so aussieht, wie sie aussieht. 

Aber im Endeffekt hätte ich jetzt erst mal vorgehabt, als Doula und Yogalehrerin zu arbeiten. 

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Sara: Sind diese Zukunftspläne noch aktuell? Oder ist jetzt doch so viel passiert, dass es immer mehr in „Vergessenheit“ gerät?

Lena: Nee, in Vergessenheit nicht! Ich merke, dass es im Moment nicht den richtigen Platz hat! Irgendwie habe ich im Moment nicht mal die Zeit oder die Energie, mir wirklich Gedanken drüber zu machen. Ich merke … also, … ich bin so ein bisschen coronamüde. Ich habe nicht so wirklich Lust, Zukunftspläne zu machen! Dadurch, dass man nicht wirklich planen kann. Da sich ja wöchentlich oder täglich Sachen ändern! Ich weiß nicht, auf was ich da noch Lust habe! Vor allem in Zukunft (lacht). Ich kanns im Moment einfach nicht sagen. 

Sara: Wie könnte Dein Weg zurück in diese Zukunft denn aussehen?

Lena: Was ich gelernt habe, was man braucht, um wieder vorwärts gucken zu können, ist, dass eine bestimmte Anzahl der Bedürfnisse gedeckt sind. Einfach um wieder Pläne schmieden zu können. Um wieder Motivation aufbringen zu können. Eine gewisse Routine. Ich denke, wenn´s da mal eine Änderung gibt, sodass wieder Routinen entstehen können, ist das schon richtig viel Wert! 

Ein weiterer Faktor sind die sozialen Kontakte. So ganz ohne soziale Kontakte, ohne Austausch. Ich glaube, wir sind dafür einfach nicht gemacht. Ich denke, sobald sich in dieser Hinsicht etwas ändert und ich hier Leute kennenlerne, Besuche stattfinden können und die Cafés wieder aufmachen … Ich liebe es, in Cafés zu gehen!

Wenn man sich wieder ein bisschen Daheim und verbunden fühlen kann. Also diese Verbundenheit zu anderen Leuten und zu seiner Umgebung. Wenn diese Faktoren mal alle wieder abgedeckt sind, die Kinder in regelmäßiger Betreuung sind, dann werden die Zukunftspläne wieder automatisch entstehen. 

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Vom Hinfallen und Aufstehen